Die Hiram – Initiativen leben von dem Bemühen,
der Individualität den Raum zu geben,
den sie für ihre Entwicklung zur Selbsterkenntnis
und Freiheitsfähigkeit sucht und braucht.
Hiram Haus fühlt sich dem anthroposophischen Menschenbild verbunden. Dieses Menschenbild ist Ausdruck eines unverbrüchlichen Vertrauens in den Entwicklungswillen und die Entwicklungsfähigkeit des Menschen. Für ihre Aufgaben und Tätigkeiten orientieren sich die Hiram-Initiativen an den anerkannten Standards der Suchtkrankenhilfe sowie dem Erkenntnisweg und der Methodik der anthroposophischen Menschenkunde und Sozialgestaltung.
Die Biographie eines Menschen, sein innerer und äußerer Lebenslauf, ist ein Ausdruck des Bemühens, die Ganzheit seines Wesens auch unter den widrigsten Umständen zur Entfaltung zu bringen. Hindernisse in diesem Prozess bedeuten letzten Endes vor allem die Herausforderung, neue Fähigkeiten durch ihre Überwindung zu bilden. Qualifizierte Therapeut:innen und Betreuer:innen begleiten diesen Vorgang und unterstützen die Selbsterkenntnis und die Selbstverwirklichung der Betroffenen.
Suchtmittelabhängigkeit verstehen wir nicht nur als ein Übel, sondern auch als Chance. Der betroffene Mensch steht vor der Notwendigkeit, in der Auseinandersetzung mit dem Krankheitsgeschehen, seiner Abhängigkeit, sich Kräfte und Fähigkeiten zu erringen, die sich wohl die meisten Menschen früher oder später werden aneignen müssen, um Stagnation und Ausweglosigkeit, auch als gesamt gesellschaftliches Phänomen, überwinden zu können.
Die von den Betroffenen zu entwickelnden Fähigkeiten wie Offenheit und Aufmerksamkeit gegenüber der Art und den Wirkungen seines:ihres Handelns und Erlebens, Ehrlichkeit und Wachheit gegenüber sich selbst, das Wissen um die persönlichen Möglichkeiten und Grenzen, die Erkenntnis all dessen und die Fähigkeit, aus diesen Erkenntnissen zu handeln, sind Entwicklungsziele, die unseren tiefsten Respekt abverlangen. Jede:r Betroffene, um Abstinenz Ringende, kämpft um ihr:sein Leben. Sie:er verdient Hochachtung und Hilfe.
Als Betreuer:in und Therapeut:in verstehen wir uns als Begleiter:in und Geburtshelfer:in für dasjenige, was als höchstes menschliches Gut im Ringen mit der Sucht geboren werden will.
Häufig liegt ein wesentlicher Anlass für die Entwicklung von Abhängigkeit im Erleben eines sinnentleerten Daseins. Das Erleben von zunehmender Leere und Sinnlosigkeit ist aber auch eine Signatur unseres Zeitalters. Die Suche nach Sinn ist zu einer Bedingung des Menschseins geworden, ist mit dem Wesen des Menschen zutiefst verbunden. Dementsprechend kann das Erleben von Sinnlosigkeit so unerträglich werden, dass nur noch Betäubungsmittel Linderung und Trost verschaffen.
Wenn nun ein verzweifelter Mensch, für den das Suchtmittel ein Ersatz für das fehlende Sinnerleben geworden ist, einen neuen Sinn für sein Dasein erschafft, können dadurch Kräfte geweckt werden, die manches scheinbar Unmögliche erreichbar werden lassen.
Sinn und Inhalt müssen, damit sie für die Entwicklung der Persönlichkeit wirksam werden können, ganz individuell entstehen, im Innern geboren werden. Wir können daher als Therapeut:innen diesen Sinn nicht vorgeben, auch nicht anbieten.
Unsere Kunst liegt darin, Bedingungen zu schaffen, die helfen, dass Sinn und Inhalt aus der Individualität, als Erkenntnis und Stiftung ureigenster Impulse, sich entwickeln und in die Welt treten können.
Hiram Haus ist in Berlin und Brandenburg Träger von Einrichtungen der ambulanten und stationären Suchtkrankenhilfe. Wir betreuen und beraten Menschen mit verschiedenen Graden von Beeinträchtigungen. Diese Arbeit wird ergänzt und getragen durch Bildungsveranstaltungen sowie künstlerische und ökologische Projekte.
Die Ursachen der Sucht sind komplex. Menschen aus allen sozialen Schichten sind betroffen, jeder Weg in die Sucht ist einzigartig. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, vielfältige therapeutische Angebote verfügbar zu halten, um individuell intervenieren und begleiten zu können.
Frühe Störungen in der Interaktion mit Bezugspersonen, Einsamkeit, Hilflosigkeit gegenüber gesellschaftlichem Wandel, Arbeitslosigkeit, zerstörte Familien. . ., die Betroffenen erleben sich in einer ausweg-losen, ausgegrenzten Situation.
Die therapeutischen Bemühungen richten sich zunächst darauf, eine Verschlimmerung der Suchterkrankung und der daraus folgenden Beeinträchtigungen zu verhindern. Es gilt, vor allem eine Verlängerung der Abstinenzphasen zu erreichen und eine emotionale Stabilität und Handlungskontinuität als Grundvoraussetzung des Überlebens zu gewährleisten.
Indem wir uns bemühen, die Klient:innen vorurteilslos wahrzunehmen und ihnen Respekt entgegenzubringen, können sie ihre Würde wiederfinden und seelische Verletzungen aus der Vergangenheit wie Gewalterfahrungen, Vernachlässigung und Missbrauch verarbeiten.
Therapeut:innen und Betreuer:innen sind auf mögliche Rückfälle und Krisensituationen vorbereitet. Die suchtkranken Menschen, die früher schwerste Abstürze durchlebten und oft suizidgefährdet waren, können in geschütztem Rahmen den Umgang mit Krisen erlernen.
Es sind die Klient:innen selbst, die aus ihrem Inneren Kräfte aktivieren, um eigene Ziele zu erarbeiten und nachhaltig Depression, Verzweiflung und Antriebslosigkeit zu überwinden. Auf dem Weg dorthin werden sie von den Therapeut:innen unterstützt, z. B. in Einzel- und Gruppengesprächen und bei der Mitgestaltung fördernder und sinnvoller Tagesstrukturierung.
Wenn eine ausreichende innere emotionale Stabilität erreicht ist, kann die Kontaktgestaltung nach außen, die Wiederherstellung von familiären Bindungen in den Vordergrund rücken.
Den Klient:innen öffnen sich Erfahrungsfelder in einer therapeutischen Gemeinschaft, in der ihre realen Fortschritte unmittelbar eine positive Bestätigung durch die Mitbetroffenen finden oder Misserfolge solidarisch mitgetragen werden. Verinnerlichte Negativkonzepte (nachteilige Selbstattribution, problematische Selbstkonzepte, Ohnmachts- und Minderwertigkeitsgefühle) können in einer Atmosphäre und einem Gefüge des Vertrauens schrittweise überwunden werden, indem der Mensch auch zu sich selbst wieder ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann.
Es entsteht Handlungskompetenz für die Lebensplanung und Ausgestaltung der Persönlichkeitsentwicklung, vorausgesetzt, positive selbstreferentielle Gefühle und Kognitionen rücken das Ich wieder an die Stelle, an welche die Droge sich geschoben hatte. Der Mensch erhält seine Souveränität zurück.
Jede Maßnahme wird auf Grundlage eines diagnostischen Prozesses geplant, ein personenzentrierter Hilfeplan beschreibt die Teilziele, konkrete Maßnahmen, den Leistungserbringer und den zeitlichen Rahmen. In der Hilfeplanung ist der:die Klient:in weitestgehend einbezogen. Die Therapiemaßnahmen sind zum Teil in Epochen gegliedert und werden regelmäßig ausgewertet.
Die Bezugsbetreuer:innen und das Team koordinieren die Leistungen für den:die Klient:innen, sofern er:sie dies nicht selber leisten kann; über die Steuerungsrunden im Bezirk oder Landkreis wird eine Vernetzung zwischen verschiedenen Trägern wirksam.
In erster Linie wird beim Hilfeplan darauf geachtet, die vorhandenen Ressourcen für eine angemessene Lebensführung zu reaktivieren und neue Ressourcen zu schaffen, damit für den:die Klient:in nach der Therapiezeit eine Teilhabe an der Gemeinschaft möglich wird und er:sie nicht wieder in ein vorangegangenes Leiden, z. B. Depressionen und das Gefühl von Ausweglosigkeit im Bann des Suchtmittels zurückfällt.
Bezugsbetreuer:innen begleiten die Klient:innen durch die Höhen und Tiefen des therapeutischen Prozesses. Er eröffnet den Klient:innen die Möglichkeit, sich mit Achtung und Würde wahrgenommen zu erleben und wieder ein Vertrauen in authentische zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln.
Durch Motivierung, Begleitung und Training in den alltäglichen Lebensbereichen Ernährung, Hygiene, Gestaltung des Wohnumfeldes, Umgang mit Behörden sollen die lebenspraktischen Aktivitäten des Alltags wieder selbstständig gestaltet werden. Dies ist eine Voraussetzung, um für kommende belastende Situationen und Krisen gewappnet zu sein. Die Erfahrung einer Handlungs- und Erlebniskompetenz, auch das Wissen, wen man im richtigen Moment um Hilfe ersuchen kann, verhindert Rückfälle und lässt wieder an eine konstruktive Zukunftsplanung glauben.
In der alltäglichen therapeutischen Praxis werden Ziele beschrieben. Wesentlich ist dabei die Erlangung von Fertigkeiten zur Aufrechterhaltung der Selbstversorgung und Tagesgestaltung, um weitestgehend das Leben ohne institutionelle Hilfen zu meistern, z. B. Verbesserung der Belastbarkeit, Zuverlässigkeit, realistische Selbsteinschätzung, Ausdauer, Leistungsfähigkeit, um neue Chancen für den Zugang zu Arbeits- oder Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden.
Das Zusammenleben in der Gemeinschaft lässt die Klient:innen die eigene Wirksamkeit erleben. Der Erfolg im Nüchternwerden und Nüchternbleiben ist die Basis zum Ausstieg aus dem Kreislauf der Sucht.
Die Erkenntnis aus seiner:ihrer Geschichte kann auch zur Beheimatung in eine suchtmittelfreie Gemeinschaft führen.
Unter den Gesichtspunkten der Sinnhaftigkeit des Lebens fokussieren alle Bestrebungen in erster Linie auf die Erlangung von Freiheitsfähigkeit, Selbsterkenntnis und souveräner Mitgestaltungsmöglichkeit an der Gemeinschaftsbildung.